Bürokratie

Auslandsdeutsche – Wahlrecht in Deutschland?

Gemäß § 12 des Bundeswahlrechtes sind alle Deutschen wahlberechtigt, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, nicht infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzen und nach Vollendung ihres vierzehnten Lebensjahres mindestens drei Monate ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland eine Wohnung innegehabt oder sich sonst gewöhnlich aufgehalten haben und dieser Aufenthalt nicht länger als 25 Jahre zurückliegt.

Da ich erst vor 3 1/2 Jahren nach Australien umgezogen bin und davor mein ganzes Leben in Deutschland gewohnt hatte, bin ich also grundsätzlich wahlberechtigt. Und da ein Recht in freien und geheimen Wahlen eine politische Volksvertretung zu wählen, nicht selbstverständlich ist und viele Menschen für dieses Recht schon ihr Leben lassen mussten, sehe ich eine Wahlteilnahme schon fast als Pflicht an. Weiterhin habe ich immer noch engen Kontakt zu Deutschland und verfolge das gesellschaftliche und politische Geschehen nahezu täglich.

Bürokratische Hürden

So hatte ich mir gedacht, dass man wahrscheinlich bei oder über die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland sein Wahlrecht ausüben kann. Aber so einfach ist das nicht.

Wählen kann nur, wer in ein Wählerverzeichnis eingetragen ist. Deutsche, die im Ausland leben und nicht in Deutschland gemeldet sind, werden jedoch nicht automatisch in ein Wählerverzeichnis eingetragen. Zur Teilnahme an Bundestags- oder Europawahlen müssen daher alle im Ausland lebenden wahlberechtigten Deutschen vor jeder Wahl zunächst bei der zuständigen Gemeinde in Deutschland einen förmlichen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen.

Erst nach der offiziellen Eintragung in das Wählerverzeichnis kann die Teilnahme an der Wahl per Briefwahl erfolgen. Die Briefwahlunterlagen müssen dann wieder an die zuständige Gemeinde, die in den Briefwahlunterlagen angegeben ist, übersandt werden. Und es gibt keine Wahllokale in den deutschen Auslandsvertretungen.

Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis bei der zuständigen Behörde

Also habe ich mir im Internet den offiziellen “Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis für im Ausland lebende Deutsche” heruntergeladen und ausgefüllt. Dieser Antrag ist dann an die “zuständigen Gemeindebehörde” persönlich und handschriftlich unterzeichnet im Original zu schicken. Die zuständige Gemeindebehörde ist die Gemeindebehörde der letzten – gemeldeten – Hauptwohnung in der Bundesrepublik Deutschland. Um an der Bundestagswahl am 26. September teilnehmen zu können habe ich schon am 15. April 2021 das Formular an das Kreisverwaltungsreferat (KVR) in München geschickt, da ich zuletzt in München gewohnt habe.

Am 25. August, also mehr als 4 Monate später habe ich einen Brief des KVR erhalten. Ich sei ich in das Wählerverzeichnis eingetragen wurde und könne nun in München wählen. Die Briefwahlunterlagen würden mir mit der Post ab voraussichtlich ab 16. August 2021 zugeschickt werden. Man muss hier beachten, dass das Schreiben des KVR am 9. Juni 2021 in München abgestempelt wurde und somit 11 (!) Wochen gebraucht hatte.

Ausübung des Wahlrechts durch lange Postlaufzeiten faktisch unmöglich

In den letzten drei Jahren habe ich die Erfahrung gemacht, dass jeder Brief, der zwischen Australien und Deutschland unterwegs war, mindestens 14 Tage brauchte. In den allermeisten Fällen jedoch wesentlich länger (auch locker bis zu 3 Monaten). Und das hat nichts mit der Covid-19 Pandemie zu tun, die ja auch immer gerne als Entschuldigung angeführt wird. Als ich in den neunziger Jahren meine australische Frau kennengelernt hatte und wir oft Briefe hin und her geschickt hatten (ja, vor 30 Jahren gab es noch keine Messengerdienste oder E-Mail und telefonieren war unerschwinglich). Da dauerte es manchmal nur 3 Tage bis ein Brief ankam.

Selbst wenn das KVR nun Wahlunterlagen auch am 16. August verschickt hätte, so träfen sie hier wahrscheinlich erst nach der Bundestagswahl ein oder wie bei der letzten Europawahl, 9 Tage vor der Europawahl.

Das KVR hat mir auf Rückfrage mitgeteilt, dass sie alle Briefwahlunterlagen an Auslandsdeutsche so früh wie möglich verschicken. Sie hätten jedoch keinen Einfluss auf die Postlaufzeiten. Im Übrigen läge das Risiko des Postweges beim Wählenden. 

Die Deutsche Botschaft in Canberra bietet an, die Briefwahlunterlagen über den amtlichen Kurierweg der Deutschen Botschaft Canberra nach Deutschland weiterzuleiten. Dafür müssten sie jedoch bei der Botschaft bis 06.09. vorliegen. Ich nehme mal an, dass niemand dort Wahlunterlagen zur Weiterleitung rechtzeitig hinschicken wird.

Das KVR hat mir übrigens noch gestern per E-Mail empfohlen “Falls Sie in der nächsten Zeit jemand aus Deutschland besuchen kommt, könnten wir die Briefwahlunterlagen an diese Person schicken und er/sie nimmt sie mit zu Ihnen.” Da Australien seine Grenzen ja aufgrund der Covid-19 Pandemie nahezu hermetisch abgeschlossen hat, ist auch kein Besuch aus Deutschland oder eine Reise nach Deutschland möglich.

Somit sind nahezu alle Auslandsdeutschen, die nicht gerade im benachbarten Ausland leben, faktisch vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Gemäß eines Artikels der Süddeutschen Zeitung “Im Ausland nur Wahlrecht zweiter Klasse” vom 07.09.2017 leben ca. 4 Millionen Deutsche im Ausland, wovon aber nur ein knappes Prozent an der Wahl teilnehmen. Dass es anders geht, wird in dem Artikel am Beispiel Schweiz erläutert.

Der Deutschlandfunk hat sich vor zwei Wochen des Themas der bürokratischen Hürden und langen Postlaufzeiten in einem recht interessanten Beitrag aktuell und etwas ausführlicher angenommen (hier zum Nachlesen und zum Herunterladen).

Bis sich hier irgendwann einmal etwas ändert, werde ich nicht mehr versuchen mein Wahlrecht auszuüben und schließe mich damit der Mehrheit der Auslandsdeutschen an. In Australien darf ich ja auch nicht wählen.

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