Das Wahlsystem in Australien auf Bundesebene

Das Wahlsystem in Australien ist für einen Außenseiter oder Neuankömmling nicht leicht zu verstehen. Es herrscht Wahlpflicht in Australien.

Das Parlament besteht aus der Königin (vertreten durch den Generalgouverneur) und zwei Kammern (Senat und Repräsentantenhaus). Diese drei Elemente machen Australien zu einer konstitutionellen Monarchie und parlamentarischen Demokratie.

Gemäß der australischen Verfassung haben das Repräsentantenhaus und der Senat im Allgemeinen gleiche gesetzgebende Befugnisse. Gesetzesvorlagen müssen von beiden Kammern verabschiedet und vom Generalgouverneur genehmigt werden, bevor sie Rechtskraft erlangen können. Mit Ausnahme der Einkommens- und Steuergesetze (die im Abgeordnetenhaus eingeführt werden müssen), kann in beiden Kammern ein Gesetz vorgeschlagen werden.

Das Repräsentantenhaus (House of Representatives)

Das Repräsentantenhaus verfügt über 150 Sitze. Jeder Sitz repräsentiert einen Wahlbezirk, welche jeweils rund 150 000 Menschen umfassen (obwohl dies auch stark variieren kann).

Geografisch gesehen können diese Wahlbezirke winzig sein – der kleinste ist Wentworth in Sydney (29,6 km²) – oder enorm groß, der größte ist Durack in Westaustralien mit 1.587.758 km² (dreimal so groß wie Frankreich)

Das herausragendste Merkmal des Repräsentantenhauses ist, dass die Partei oder Gruppe, welche die Unterstützung der Mehrheit der Abgeordneten hat, die Regierung bildet.

Wahlverfahren

Die Abgeordneten werden nach einem Mehrheitswahlrecht mit der für Australien besonderen Variante des Präferenzwahlsystems (oder Vorzugswahl/Rangfolgewahl – Instant-runoff voting) gewählt. Australien ist mit Fiji und Papua-Neuguinea (letzteres seit 2007) eine von nur drei Nationen, die dieses System für nationale Wahlen nutzen.

Das Grundprinzip des Präferenzwahlverfahrens ist, dass man alle Bewerber durchnummeriert. Anstatt nur für eine Person zu stimmen, gibt man an, welche Person am liebsten den Wahlbezirk repräsentieren sollte, welche am zweitliebsten, welche am dritt liebsten, etc..

Auf dem Stimmzettel werden die Namen der Kandidaten in einer Spalte aufgeführt, wobei die Positionen nach Los bestimmt werden.

Ballot paper House of Representatives
Stimmzettel für das Repräsentantenhaus

Jeder Wähler kann also auf dem Stimmzettel einen Kandidaten auf Platz 1 setzen, einen auf Platz 2 und so weiter. Er weist also allen Kandidaten Positionen in einer Rangordnung zu.

Wenn ein Kandidat bei der Auszählung mehr als 50 % der Platz-1-Stimmen bekommen hat, so ist er gewählt. Hat kein Kandidat mehr als 50 % wird nun bestimmt, welcher Kandidat die wenigsten Platz-1-Stimmen bekommen hatte. Dieser wird von der Zählung ausgeschlossen. Die Stimmen dieses Kandidaten werden gemäß den Platz-2-Stimmen, die auf den Wahlzetteln des ausgeschlossenen Bewerbers aufgeführt sind, an andere Bewerber übertragen.

Das Verfahren wird ab Schritt 2 wiederholt, bis nur noch zwei Kandidaten übrig sind. Davon gewinnt der mit der höheren Stimmenzahl.

Auswirkungen

Bei dieser Form der Mehrheitswahl kann der Wähler seine Präferenzen wesentlich genauer zum Ausdruck bringen als bei der klassischen Mehrheitswahl.

Einfaches Beispiel:

% der Wähler49 %26 %25 %
1. PräferenzLaborGreenLNP
2. PräferenzLNPLaborGreen
3. PräferenzGreenLNPLabor

Hier wird als erstes LNP gestrichen. Die 25 % der LNP werden dann auf die 2. Präferenz übertragen. Nun haben die Grünen mehr Stimmen und gewinnen mit 51 % (26 % plus die 25 % von LNP) gegenüber 49 % Labor.

Wenn aber stattdessen 2 % der Labor-Wähler den Liberal/National ihre Erstpräferenz geben, ergibt sich folgende Tabelle:

% der Wähler47 %2 %26 %25 %
1. PräferenzLaborLNPGreenLNP
2. PräferenzLNPLaborLaborGreen
3. PräferenzGreenGreenLNPLabor

Hier werden als Erstes die Grünen gestrichen, da LNP nun ja zusammen 27 % der 1. Präferenz bekommen hat. Nun kommt die zweite Präferenz der Grünen-Wähler zum Einsatz. Die 26 % der Grünen geht an Labor welche die Wahl mit 73 % zu 27 % gewinnt.

Das Wahlsystem erlaubt auch, die erste Stimme für praktisch aussichtslose Kandidaten abzugeben und mit der zweiten oder dritten Präferenz trotzdem bei der Wahl zwischen den aussichtsreichsten Kandidaten mitzuwirken.

Die großen politischen Parteien legen „Wie man abstimmt“ Karten aus, in denen die Reihenfolge empfohlen wird, in der man die Kandidaten (Parteien) wählen soll.

Der Senat

Es gibt 76 Senatoren im Oberhaus: 12 aus jedem der sechs Staaten, unabhängig von der Größe der Bevölkerung, und je zwei aus den beiden Festlandgebieten (dem australischen Hauptstadtterritorium und dem Northern Territory).

Die Senatoren aus den Staaten werden für sechs Jahre gewählt, und die aus den Territorien werden zusammen mit dem Repräsentantenhaus alle drei Jahre gewählt. Der halbe Senat steht alle drei Jahre zur Wiederwahl zur Verfügung.

Wahlverfahren

Der Senat wird nach Verhältniswahlsystem gewählt.

Eine breite horizontale Linie verläuft über den Stimmzettel. Über dieser Linie befindet sich eine einzelne Reihe von Kästchen, die sich jeweils über dem Namen einer Partei oder Gruppe (falls vorhanden) befinden. Die Position jeder Partei oder Gruppenliste auf dem Stimmzettel wird durch Los bestimmt. Man kann nun auf zwei Arten für die Senatoren seines Staates oder Territoriums stimmen, „über der Linie“ oder „unter der Linie“.

„Über der Linie“

Bei der Abstimmung über die Linie müssen die Wähler mindestens sechs Felder von 1 bis 6 für ihre gewählten Parteien oder Gruppen nummerieren.

Die Präferenzen werden hierbei in der Reihenfolge verteilt, in der die Kandidaten unter der Linie für die Partei oder Gruppe erscheinen, die man gewählt hat. Die Präferenzen werden zuerst an die Kandidaten in der Partei oder Gruppe der ersten Wahl verteilt, dann an Kandidaten in der Partei oder Gruppe der zweiten Wahl usw., bis alle Präferenzen verteilt sind.

Ballot paper Senate above the line
„Unter der Linie“

Im Abschnitt unter der schwarzen Linie kann man für einzelne Kandidaten stimmen. Man schreibt die Nummer 1 in das Feld neben dem Kandidaten, der die erste Wahl ist, dann die Nummer 2 in das Feld neben der zweiten Auswahl und so fort, bis man mindestens 12 Felder nummeriert hat.

Wenn man fortfahren möchten, kann man so viele zusätzliche Felder nummerieren, wie “Unter der Linie” zur Verfügung stehen.

Senatskandidaten müssen eine bestimmte Anzahl von Stimmen erhalten, um eine Quote zu erfüllen. Um die Quote für eine bestimmte Wahl zu berechnen, wird die Gesamtzahl der abgegebenen förmlichen Stimmen durch die Anzahl der zu wählenden Kandidaten plus 1 geteilt, und dem Ergebnis wird 1 hinzugefügt.

Ballot paper Senate below the line

Wenn ein Kandidat also 14,3% (100/7) der Stimmen erreicht hat (33% in den Territorien), wird er gewählt. An diesem Punkt kommt nun ein komplexes System ins Spiel, um die überzähligen Stimmen (also mehr als die nötigen 14,3 %) gemäß des Präferenzsystems neu zu verteilen. Aufgrund der Komplexität steht ein Endergebnis manchmal erst nach mehreren Wochen fest.