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Immobilienbesessenheit – der australische Traum

Wenn man aus einem zentraleuropäischen Land kommt, wird man vielleicht die vielen Immobilienmakler wie RayWhite, The Professionals, LJHooker etc. bemerken, die in Australien an fast jeder Ecke zu finden sind. Weiterhin ist das Thema Hauseigentum und Immobilienpreise nahezu täglich in den australischen Medien zu finden.

Die Australier lieben es, über Immobilien zu sprechen, sei es beim Familiengrillfest, beim Abholen in der Schule oder in der Büroküche. Eine Studie der HSBC-Bank aus dem Jahr 2019 hat ergeben, dass Australier mehr Stunden mit dem Immobilienmarkt als im Fitnessstudio oder beim Gespräch mit ihren Eltern verbringen.

Das eigene Haus

Die Gründer Australiens waren der Meinung, dass Australien besser sein sollte als das Vereinigte Königreich. Sie wollten eine Gesellschaft, die nicht nach Klassen geteilt ist. Kurz gesagt, sie wollten Chancengleichheit für alle. Sie waren der Ansicht, dass die Trennlinie, an der die Spaltung am stärksten ausgeprägt war, der Besitz von Eigentum war. Daher sollte jeder die Möglichkeit haben, das Haus, in dem er lebte, zu besitzen.

In den englischen Städten verhinderten die Grundbesitzgesetze und die riesigen kirchlichen Ländereien, dass viele Menschen jemals ein eigenes Grundstück besaßen. Dies war in Sydney und Melbourne nicht der Fall.

Vor allem in Melbourne kam es in den 1850er Jahren zu einer rasanten Aufteilung des Landes, die in Verbindung mit dem Goldrausch zur Entstehung von Elendsvierteln führte.

Bevor 1856 in Südaustralien das allgemeine Wahlrecht für Männer eingeführt wurde, war Landbesitz ein Weg, um eine Stimme im politischen Prozess zu erlangen. Diese Linie setzte sich auch dann fort, als die Kolonien aufhörten, die Eigentumsvoraussetzungen für das Wahlrecht anzuwenden.

Das haben die Australier bis heute beherzigt, unter anderem in Kulturklassikern wie “The Castle“. In dem Film prangert ein Hausbesitzer, Darryl Kerrigan, ein großes Unternehmen an, das sein Haus kaufen will. Vor Gericht erinnert er daran, dass ein Haus nicht nur aus Ziegeln und Mörtel besteht, sondern auch aus Erinnerungen an ein gemeinsam aufgebautes Leben. Es ist darüber hinaus ein Ort, an dem man sich seine Zukunft vorstellen kann.

Foto von Häusern mit viel Garten und grün um die Häuser herum
Der australische Traum vom eigenen Haus

Eine Umfrage der Australian National University ergab, dass immer noch mehr als drei Viertel der Australier Wohneigentum als Teil des australischen Lebensstils betrachten. Viele Menschen hier denken weiterhin, dass es einen erst zu einem vollwertigen Bürger macht, wenn man ein eigenes Haus oder eine Wohnung besitzt.

Foto von dicht aneinandergereihten Wohnhäusern ohne Grundstück drumherum
Die Verwirklichung des eigenen Hauses weicht nicht selten von dem Wunschtraum ab
Viel Arbeiten für die eigenen vier Wände

Allerdings sind die Hauspreise viel schneller gestiegen als die Einkommen. Vor einigen Jahrzehnten betrug der Preis für ein normales Haus nur das Zwei- oder Dreifache des Durchschnittseinkommens. Jetzt ist es bis zum Zehnfachen des Durchschnittseinkommens gestiegen, zumindest in Sydney. Für junge Australier ist es heutzutage viel schwieriger, ein Haus zu kaufen, und es dauert jetzt bis zu 10 Jahre, nur um eine Anzahlung zu leisten.

Eine Studie eines Soziologen der La Trobe University in Melbourne ist betitelt “Nobody’s Home”. Der Name deutet darauf hin, dass es sich, wenn die Soziologen an der Tür klingelten, um sie nach ihren Häusern zu fragen, aller Wahrscheinlichkeit nach um Paare handelte, die Vollzeit (oder auch mehr) arbeiteten, um die Hypothek für ein Haus zu bezahlen, in dem sie kaum Zeit verbringen. Auch wenn der australische Traum vom Wohneigentum immer noch eine sehr lebendige Hoffnung in den Köpfen vieler Menschen ist, gibt es immer mehr vor allem junge Menschen, die im Moment nur sehr schwer erkennen können, wie sie ihn verwirklichen wollen.

Zersiedelung der Städte

Der australische Traum vom Eigenheim in Verbindung mit einer wachsenden Bevölkerung führt auch zu einer rasanten Ausbreitung der Städte. Die Stadtränder werden durch die Freigabe erschwinglicher Grundstücke und durch große Wohnviertel erweitert. Wenn man sich mit dem Flugzeug einer der großen australischen Millionenstädte nähert, wundert man sich als Europäer, wie lange man über die besiedelten Stadtteile fliegt, bis man zur Landung ansetzt.

Beispielsweise ist Melbourne etwa dreimal so groß wie London und hat dabei nur ein Drittel der Bevölkerung. Melbourne besitzt keine feste, dauerhafte Stadtgrenze. Seit 2006 wurden mehr als 50 Vororte an Melbourne angebaut. Von dem Grasland, das sich vor der Ankunft der Europäer über Melbourne bis an den westlichen Rand Victorias erstreckte, ist heute nur noch 1 % übrig.

Wohneigentum ist der große australische Traum. Doch trotz des Rückgangs, der immer wieder in den Schlagzeilen zu lesen ist, strebt die Mehrheit der Australier immer noch nach einem eigenen “Land and castle”.

Wohnraum als Mittel, um Vermögen anzuhäufen

Die 80er Jahre waren eine Zeit struktureller Veränderungen im Bereich des australischen Wohneigentums. Die Finanzindustrie wurde dereguliert. Haushalte mit zwei Einkommen waren die Norm, wodurch Hypotheken leichter zu bekommen waren. Auf steigende Zinssätze folgten drastisch fallende Zinssätze.

Die Veränderungen bei der Verfügbarkeit und den Kosten von Finanzierungen hatten vor allem für den Wohnungsmarkt große Auswirkungen. Vor der Deregulierung war das Wohnungswesen auf Eigenheimbesitzer ausgerichtet. Immobilieninvestoren, die ein Bankdarlehen aufnahmen, mussten einen erheblichen Zinsaufschlag auf ihre Darlehen zahlen.

Mit der Angleichung der Zinssätze verschoben sich jedoch die Ziele für den Erwerb von Wohneigentum. Häuser wurden zunehmend wegen ihres Tauschwerts gekauft – sie wurden als Hebel eingesetzt, um Vermögen anzuhäufen. Immer mehr Menschen investierten in Wohnraum, einschließlich ihres eigenen Wohnraums, um Vermögen anzuhäufen. Dies hat in den 1990er und 2000er Jahren weiter zugenommen.

Immobilienpreise Weltspitze

Aufgrund einer Vielzahl von Faktoren (niedrige Zinsen, eifrige Investoren, Steuererleichterungen und ausländische Investitionen, um nur einige zu nennen) sind australische Immobilien inzwischen zu den wertvollsten der Welt geworden. Eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern und zwei Bädern in Sydney ist mehr wert als ein renoviertes Schloss aus dem 13. Jahrhundert mit neun Zimmern und 7 500 Quadratmetern Parklandschaft in Frankreich.

Diejenigen, die ihr Geld in den 1990er Jahren in Wohneigentum investiert haben, konnten phänomenale Renditen erzielen. Im Jahr 1993 lagen die Durchschnittswerte für Häuser und Wohnungen in Australien bei 111.524 $ bzw. 123.840 $. Bis zum Jahr 2018 verzeichneten Häuser einen Wertzuwachs von 412 % und Wohnungen von 316 %. Unter Annahme der gleichen prognostizierten Wachstumsrate geht ein Bericht davon aus, dass Häuser in Sydney bis zum Jahr 2043 im Durchschnitt mehr als 6,3 Millionen Dollar wert sein werden, während Immobilien in Melbourne mit 5,8 Millionen Dollar nicht weit dahinter liegen.

Rekordtiefe Zinsen haben die australischen Immobilienpreise im Jahr 2021 um 22 Prozent in die Höhe getrieben – der stärkste Anstieg in drei Jahrzehnten.

Erschwinglichkeit von Wohnraum sinkt

Mit dem Anstieg der Immobilienpreise ist auch ein Anstieg der Verschuldung einhergegangen. Dies bringt das Risiko finanzieller Instabilität mit sich, wenn die Kreditnehmer nicht in der Lage sind, die Schulden zu bedienen. Zugleich ist die Erschwinglichkeit von Wohnraum in Australien seit Anfang der 1980er Jahre weitgehend zurückgegangen und hat sie sich stärker verschlechtert als in anderen vergleichbaren Ländern. Laut einer Erhebung über die Erschwinglichkeit von Wohnraum aus dem Jahr 2021 liegt der Median des Verhältnisses zwischen Hauspreisen und jährlichem Einkommen in den Großstädten Australiens beim 7,7-fachen, verglichen mit dem 4,8-fachen im Vereinigten Königreich und dem 4,2-fachen in den USA. In Sydney ist es das 11,8-fache und in Melbourne das 9,7-fache.

Das Verhältnis von Hauspreisen zu Einkommen und Mieten liegt im Vergleich zu den langfristigen Durchschnittswerten am oberen Ende der OECD-Länder.
Auch wenn die Zinssätze auf einem Rekordtief liegen, hat der Preisanstieg im Verhältnis zu den Einkommen dazu geführt, dass sich auch das Verhältnis der Schulden der privaten Haushalte zum Einkommen in den letzten 30 Jahren fast verdreifacht hat. Australien ist damit vom unteren Ende der OECD-Länder an das obere Ende gelangt.

Dies erschwert Erstkäufern den Einstieg in den Immobilienmarkt erheblich. Die Verschlechterung der Erschwinglichkeit führt auch zu einer zunehmenden Vermögensungleichheit.

Und die Wohnungspolitik der Regierungen spiegelt die Interessen derjenigen wider, die bereits Eigentümer sind. Und deren Interesse ist es nicht, dass die Immobilienpreise fallen …

Quelle: ANUpoll on Attitudes to Housing Affordability

Immobiliengewerbe ist “Big Business” in Australien

Um den australischen Traum zu verwirklichen oder mit Immobilien das Vermögen zu vergrößern, benötigt man in der Regel die Dienste eines Immobilienmaklers. In Australien wurden im Jahre 2021 um die 600.000 Häuser und Wohnungen verkauft. In Deutschland waren es hingegen im Jahre 2020 bei einer rund 3,3 fachen Bevölkerung rund 752.300 Verkäufe!

Verdienst mit Provisionen und Gebühren

Mit durchschnittlich zwei bis drei Prozent des Verkaufspreises sind die zu erzielenden Provisionen ein starker Anreiz bei dem Geschäft mitzumachen. Die zwei- bis dreiprozentige Provision beinhaltet in der Regel auch nicht die Werbekosten. Dies können je nach Tarif und Platzierung der Anzeigen schon mehrere hundert bis tausende von Dollar betragen. Vor allem bei teureren Immobilien kann es auch eine Staffelung der Provisionen geben. So kann man beispielsweise 2,5 % für die ersten 850.000 $ und danach 10 % erhalten. Dies stellt einen weiteren Anreiz für jeden Makler dar.

Auch Vermieter nutzen Makler

Und wenn man sich den australischen Traum vom Eigenheim nicht leisten kann, muss man mieten. Auch dazu benötigt man meist die Dienste eines Immobilienmaklers (bzw. Vermietungsmaklers). Ein Vermietungsmakler managt in der Regel den Vermietungsprozess, d. h. er vermarktet die Immobilie, zeigt sie den Mietern und besetzt schließlich die freie Stelle. Sobald ein Mieter einen Mietvertrag unterzeichnet hat, ist die Arbeit des Maklers abgeschlossen. Danach hat man mit dem Immobilienverwalter zu tun. Viele Vermietungsmakler übernehmen jedoch auch die Immobilienverwaltung. Vermietungsmakler erhalten in der Regel eine Gebühr in Höhe einer Monatsmiete für die Vermittlung eines Mieters. Wenn der Makler die Immobilie dann weiter verwaltet, fällt in der Regel eine Gebühr von 10 bis 15 % der Monatsmiete an.

Dabei ist der Kunde des Maklers nicht der Mieter, sondern der Immobilieneigentümer. An dieser Stelle wird einem immer bewusst, wie geringwertig Mieter von Immobilienmaklern daher oft angesehen werden, die auf ihr Einkommen angewiesen sind.

Jeder Mieter kennt eine Horrorgeschichte (wir auch) – Makler, die überhöhte Reparatur- und Reinigungskosten von Kautionen fordern; überraschende Zwangsräumungen; Makler, die Reparaturanfragen ignorieren, während eine Immobilie buchstäblich um ihre Mieter herum verkommt. Aber nur ein Bruchteil der Mieter reicht einen Antrag bei einem Gericht ein. So ein Antrag kostet Zeit und Geld, das die meisten Menschen nicht haben. Und auf einem gefährlich angespannten Mietmarkt haben die Mieter Angst, sich zu beschweren. Jedem kann jederzeit gekündigt werden. Und bei einer Neuvermietung, gibt es dann eben wieder eine neue Provision.

Viele Immobilienmakler wollen die Immobilie nur so schnell wie möglich verkaufen oder vermieten und die Provision kassieren. Dabei sind einige lediglich ein dem eigentlichen Makler unterstellter Verkäufer mit geringerer Ausbildung und Qualifikation.

Gemäß der Präsidentin des Real Estate Institute of NSW (REINSW), Leanne Pilkington, hat ein Barista, der einen 4-Dollar-Kaffee verkauft, oft eine bessere Ausbildung als ein Immobilienmakler, der ein 4-Millionen-Dollar-Haus verwaltet. Man kann in nur drei Tagen eine Lizenz zum Gelddrucken erhalten, um als Immobilienmakler zu arbeiten …

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